Unsere Consulting-Kollegin Sophia Stettner hat mit dem BVT-Investorenmagazin Institutional Quaterly (iQ) über die Beratung nachhaltiger Bauprojekte gesprochen. Das Interview ist in der Ausgabe 04-2022 erschienen. Die ausführlichen Antworten auf die Interviewfragen haben unsere Kolleg:innen Piera Walter und Daniel Kozik gemeinsam mit Sophia erarbeitet. Hier in unserem Journal finden Sie also jetzt die Langversion des Interviews mit den detaillierteren Antworten des gesamten Autor:innenteams:


Die Alpha IC berät Unternehmen, wie die BVT Gruppe, hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Bauprojekten. Wie läuft dieser Beratungsprozess ab?

Beratung beginnt für uns mit einem guten Verständnis für den individuellen Kundenbedarf. Das Thema Nachhaltigkeit ist dabei stets fest in der DNA unseres Beratungsansatzes verankert. Bei strategischen Fragestellungen ist es zu Beginn eines Auftrags wichtig, neben dem Bedarf des Kunden auch sein Ambitionsniveau zu ermitteln. Eine Beratung nach einem "One Size Fits All"-Ansatz wäre hier die falsche Herangehensweise und würde Kunden und Berater nicht zufriedenstellen. Ist das Ambitionsniveau definiert, werden die Nachhaltigkeitsziele in einzelne Teilprojekte überführt und die Prioritäten und die Timeline für die Umsetzung definiert. Dadurch wird die Organisation des Kunden im Rahmen der Implementierung nicht überfordert und für jedes Thema werden die richtigen Ansprechpartner auf Kunden- und Beraterseite zusammengeführt.

Natürlich gibt es auch Anfragen, bei denen die Umsetzung wenig Spielraum für Individualität lässt. Diese Aufträge haben häufig regulatorische Vorgaben oder dienen der Transparenz oder Nachweiszwecken (z.B. EU-Taxonomie-Konformitätsbestätigungen oder die Erstellung von Treibhausgasbilanzen).


Welche Möglichkeiten gibt es, um die Bauweise nachhaltig zu gestalten?

Diese Frage umfassend zu beantworten, würde den zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen. Eines ist jedoch klar – jeder neue Materialeinsatz bedeutet Energieaufwand und analog dazu das Emittieren von CO2. Das heißt, der Neubau ist im Sinne der Ressourceneffizienz und Dekarbonisierung im Nachteil gegenüber dem bereits vorhandenen Immobilienbestand. Trotzdem kann man Bautätigkeiten nicht komplett einstellen, denn insbesondere weiterer Wohnraum wird dringend benötigt. Man muss den Bau, Betrieb und das Recycling von Gebäuden jedoch neu denken.

Natürlich können die Nachhaltigkeitsziele individuell für die Immobilie oder ein Portfolio entwickelt werden. Die Kriterien von Green Building Systemen (z.B. DGNB, LEED, BREEAM, WELL) oder auch die der EU-Taxonomie-Verordnung bieten jedoch bereits für den Einstieg eine Vielzahl von Indikatoren für nachhaltige Bauweisen und den Immobilienbetrieb. Hier wird neben ökologischen Themen auch soziokulturellen und prozessualen Aspekten ein höherer Stellenwert gegeben.  Um demnach eine nachhaltige Bauweise umsetzen zu können, ist der Zeitpunkt für eine Nachhaltigkeitsberatung möglichst früh zu wählen (bspw. zur Vorentwurfsplanung). Der Einstiegszeitpunkt wird oft unterschätzt und strapaziert nachträglich das Budget.

Eine weitere Weichenstellung besteht darin, Einfluss auf das „verbaute“ Material zu nehmen. Wir empfehlen für jede Lebenszyklusphase eines Gebäudes eine Analyse der aus dem Bau resultierenden Treibhausgaspotenziale durchzuführen. Darauf aufbauend sollte das Gebäudedesign und die Bautechnik das Ziel einer Kreislaufwirtschaft unterstützen, indem sie ressourceneffizient, anpassungsfähig, flexibel, schadstofffrei und demontierbarer gestaltet werden und mindestens zur Hälfte (nach Gewicht oder Oberflächen) aus einer Kombination von wiederverwendeten Komponenten, recycelten oder verantwortungsvoll beschafften erneuerbaren Materialien bestehen.

Außerdem raten wir dazu mittels einer Klimarisikoanalyse die Vulnerabilitäten des Bauprojekts gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu reduzieren.


Hier sind also alle drei Autor:innen des Interviews zu sehen. Von links: Unsere ehemalige Consulting Kollegin Piera Walter, Daniel Kozik, Senior Consultant mit den Beratungsschwerpunkten Green Building und Facility Management, sowie Sophia Stettner die im Alpha IC Team zu den Schwerpunkten ESG, Green Building und Energiedesign & Simulation arbeitet.


Vor allem, aber nicht nur in den USA boomt momentan Holz als Baumaterial. Was genau macht die Holzbauweise so attraktiv?

Die prominentesten Vorteile gegenüber mineralischen Baustoffen liegen auf der Hand: Holz kann sich durch die Einlagerung von CO2 in der Wachstumsphase sowie die zeitliche verzögerte Abgabe des gespeicherten CO2 langfristig positiv auf die Klimabilanz einer Immobilie auswirken und ist zugleich eine nachwachsende Ressource.

Außerdem ermöglicht die serielle Vorfertigung einen vereinfachten Transport und verkürzte Bauzeiten und leistet so einen zusätzlichen Beitrag zur Reduktion von Energie und CO2. Nicht zuletzt dürften die bauphysikalischen Vorteile zur Attraktivität von Holz beitragen (durch z.B. gesundes Raumklima, behagliche Wohnatmosphäre, feuchtigkeitsregulierende und gutdämmende Eigenschaften). Jedoch spielt die Herkunft des Holzes und die nachhaltige Bewirtschaftung eine entscheidende Rolle für den unbedenklichen Einsatz von Holz in der Baubranche.

 

Kann die Betonbauweise damit überhaupt konkurrieren?

Beton hat mit Fokus auf die Kreislaufwirtschaft und der Möglichkeit CO2 über den Lebenszyklus einer Immobilie zu binden, einen Nachteil gegenüber der Holzbauweise. Aus unserer Sicht muss hier je nach Anwendungsfall entschieden werden, welche Konstruktion Sinn macht, denn auch Beton steht mit einigen Vorteilen – von thermischer Speicherfähigkeit (Heizen & Kühlen) über Akustik bis hin zu Statik - für sich.

Dennoch müssen wir in der Zukunft aufgrund der schwindenden Sandvorkommen und des enormen Energieeinsatzes bei der Betonherstellung umdenken und zunehmend durch Substitution bzw. Ergänzung mit anderen Stoffen ausgleichen. Mit dem voranschreitenden Markt für Recycling, der es erleichtert möglicherweise ganze Bauteile wiederzuverwenden, kann sich auch Beton weiterhin als Baustoff durchsetzen. Auch hybride Lösungen aus Holz und mineralischen Stoffen bieten hier oft eine sinnvolle Alternative.

Auch wenn wir uns im Rahmen der Bauphase befinden, raten wir unseren Kunden auch die Energieperformance und den Betrieb der Immobilie nicht außer Acht zu lassen.


Welche Baustoffe sind außerdem relevant für nachhaltiges Bauen in der Zukunft?

Aus unserer Sicht bietet die Baustoffpyramide eine gute Orientierung, um sich den CO2-Auswirkungen eines Baustoffs für ein Projekt bewusst zu machen und die Höhe des Materialeinsatzes zu diskutieren. Wie bereits zuvor erwähnt, sollte jedoch jeder neue Materialeinsatz minimiert werden. Ein guter Kompromiss ist der Einsatz von recycelten oder wiederverwendeten Materialien. So kann auch ein energieintensiver Baustoff wie Beton zukünftig weitestgehend CO2-neutral hergestellt werden und zu einem hohen Anteil aus recyceltem und wiederverwendeten Material bestehen.

Und nicht zu vernachlässigen: Auch hier ist auf eine schadstoffarme Baustoffwahl und Konstruktionsweise zu achten. So kann der vermehrte Holzeinsatz bspw. nachteilig auf die Innenraumlufthygiene wirken, wenn nicht auf emissionsarme Produkte geachtet wird (z.B. Vermeidung von verleimten Erzeugnissen wie Brettschichtholz).


Zur Nachhaltigkeit gehört auch das Recycling bereits vorhandener Gebäude und ihrer Baustoffe. Wie kann man Bestandsgebäude nachhaltiger machen?

Die Erfahrung zeigt, dass oftmals zwei Drittel der Treibhausemissionen auf den Gebäudebetrieb zurückzuführen ist und lediglich ein Drittel auf die Herstellung, den Bau und den Rückbau zum Lebensende entfällt. Je nach Zielsetzung würden wir also jedem Eigentümer, unabhängig von der Bauweise, dazu raten, zuallererst den betrieblichen CO2-Ausstoß zu optimieren, da hier der größere Hebel verborgen liegt. 

Grundsätzlich appellieren wir zu mehr Sanierungen im Gebäudebestand. Schließlich ist der Gebäudesektor derzeit einer der weltweit größten Emissionsverursacher und jede neue Immobilie muss kritisch auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.

Zur ersten Orientierung möchten wir erneut auf die gängigen Green Buildingsysteme verweisen. Hierin wurden eine Vielzahl von Nachhaltigkeitszielen mit entsprechenden Nachhaltigkeitsindikatoren zur Bewertung und Messung zusammengetragen. Je Immobilie gilt es passende zu identifizieren und die Nachhaltigkeitsperformance im Betrieb der Immobilie konstant zu optimieren.


Welche Möglichkeiten haben Investoren, sich im Vorfeld über die Nachhaltigkeit eines Projekts zu informieren?

Hier gibt es mittlerweile die verschiedensten Optionen: Eine Möglichkeit bilden ESG-Ratings für die Unternehmen hinter der Immobilie: die Ratings zeigen Risiken aus ESG-Prozessen und Governance-Standards eines Unternehmens auf. 

Bei Finanzprodukten lassen sich Informationen über die Nachhaltigkeitsperformance der darin enthaltenen Immobilienportfolien aus den Fondsprospekten, den Jahresberichten und den Transparenzplichten gemäß Offenlegungsverordnung entnehmen. Außerdem sollten verbindliche Vorgaben für die Nachhaltigkeitsziele des Finanzprodukts in den Anlagegrenzen definiert werden. Die Anlagegrenzen binden den Manager des Finanzprodukts an ein entsprechendes Investitionsprofil und die entsprechende Bewirtschaftung der Immobilien.

Auch eine (ESG) Due Diligence gibt Aufschluss über die Nachhaltigkeitsrisiken und Chancen einer Immobilie oder eines Portfolios. Oftmals wird hierin auch bereits  der spezifische Dekarbonisierungspfad und die EU-Taxonomie-Konformität der Immobilie einer Vorprüfung unterzogen.


Zum gedruckten veröffentlichten Interview im iQ Magazin 04-2022 geht es hier: https://www.yumpu.com/de/document/read/67429158/iq-04-2022


Ihre Ansprechpartner:innen für nachhaltige Bauprojekte:

Sophia Stettner, Consultant, Alpha IC

Tel. +49 151 422 294 - 09 ∙ s.stettner@alpha-ic.com

  • Green Building
  • ESG & CSR
  • Energiedesign & Simulation

Daniel Kozik, Senior Consultant, Alpha IC

Tel. +49 151 422 294 - 13 ∙ d.kozik@alpha-ic.com

  • Green Building
  • Facility Management