Nicht nur für Kundenprojekte, sondern auch für das neue Netto-Null-Firmengebäude der Alpha IC GmbH in Bamberg, genannt RESI, haben wir eine Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse erstellt. Das ist existenziell und wertsichernd, um Gebäude so zu planen, zu bauen oder auch zu revitalisieren, dass sie über den gesamten Lebenszyklus hinweg für die zunehmenden Klimarisiken gerüstet sind und der Nutzer:innenkomfort gesichert ist.
Bei diesem Thema arbeitet die Alpha IC GmbH seit letztem Jahr erfolgreich mit der KA Köln.Assekuranz Agentur GmbH zusammen. Diese erstellt mit ihrem Analysetool K.A.R.L.® eine taxonomiekonforme Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalysen und das Team der Alpha IC bewertet dann im zweiten Schritt die Anpassungslösungen und berät zu weiteren notwendigen Maßnahmen mit Blick auf Vorgaben der EU-Taxonomie.
Ausgangslage und Risikoermittlung mit K.A.R.L. ®
Für die RESI ergab sich für die Risiken Hitzestress (chronisch) und Hitzewelle (akut) für den Standort zukünftig jeweils ein mittleres Risiko, was der Stufe vier von fünf entspricht. Einen Ausschnitt aus der Auswertung sehen Sie hier:
Unter Hitzestress wird laut K.A.R.L. die allgemeine Belastung für Mensch und Umwelt durch anhaltend hohe Temperaturen verstanden. Die Risikobestimmung basiert dabei zum einen auf einem von der KA Köln.Assekuranz Agentur GmbH entwickelten Hitzestress-Index und zum anderen auf den damit verbundenen schädlichen Auswirkungen auf das Untersuchungsobjekt (Vulnerabilität). Der Hitzestress-Index bezieht sich in erster Linie auf die Dauer von Hitzewellen, die durch anhaltend hohe Temperaturen sowohl am Tag als auch in der Nacht eine besondere Gefahr darstellen. Die Indexwerte reichen von 0 bis 10, wobei der Wert 0 für keinen Hitzestress und 10 eine extrem belastende und häufig wiederkehrende Situationen mit hohen Temperaturen beschreibt.
Der untersuchte Standort auf dem Bamberger Lagarde-Campus weist mit einem Hitzestress-Index von 2,3 aktuell eine niedrige Belastung durch Hitzestress auf. In Kombination mit der entsprechenden Gebäudevulnerabilität resultiert ein geringes Risiko für das Gebäude und seine Nutzenden.
Der Klimaausblick mit dem K.A.R.L.-Analysetool zeigt für die RESI mögliche zukünftige Entwicklungen des Hitzestress-Index, die basierend auf einem Ensemble aus 20 globalen Klimamodellen für den Standort berechnet wurden. Ein maximaler Hitzestress wird für das Szenario SSP5-8.5 und Zeitraum 2070-2099 mit einem Wert 5,6 projiziert, was einer erhöhten Belastung entspricht. Das Szenario SSP5-8.5 ((Shared Socioeconomic Pathways, dt.: gemeinsame sozioökonomische Entwicklungspfade) beschreibt den stärksten Anstieg der Emissionen und wird häufig als „weiter-so-wie bisher“-Szenario bezeichnet. Für den maximalen projizierten Hitzestress ist aufgrund der gewählten Vulnerabilität mit einem mittleren schädlichen Einfluss auf das Untersuchungsobjekt zu rechnen. Daraus resultiert ein mittleres Risiko.
Eine Hitzewelle ist per Definition ein Zeitraum mit
ungewöhnlich heißem Wetter, der besonders belastend für Menschen und Umwelt
ist. Im Rahmen der Analyse gilt eine Hitzewelle als gegeben, wenn an mindestens
drei aufeinander folgenden Tagen die Tageshöchsttemperatur über 30 ◦C liegen („Heiße
Tage“) und die nächtlichen Temperaturen nicht unter 20 ◦C fallen („Tropische
Nächte“). Die Risikobestimmung basiert auf der mittleren Anzahl an
Hitzewellentagen pro Jahr am Standort und deren schädlichen Auswirkungen auf
das Untersuchungsobjekt (Vulnerabilität).
Der gewählte Referenzzeitraum (1985 – 2014) war noch vergleichsweise wenig vom
Klimawandel beeinflusst, wodurch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Hitzewellen
deutlich geringer war.
Basierend auf einem Ensemble von 20 globalen Klimamodellen wurden für den RESI-Standort zukünftige Entwicklungen berechnet. Der Klimaausblick zeigt für den Zeitraum 2070–2099 eine deutliche Zunahme um durchschnittlich +14,8 Hitzewellentage pro Jahr im Vergleich zur Referenzperiode. Für die maximalen projizierten Hitzewellentage ist unter Berücksichtigung der gewählten Vulnerabilität mit einem mittleren schädlichen Einfluss auf das Untersuchungsobjekt zu rechnen. Daraus ergibt sich insgesamt ein mittleres Risiko.
Maßnahmen zur Verhinderung schädlicher klimatischer Einflüsse auf das Gebäude und seine Nutzer:innen
Die beiden ermittelten Risiken galt es nun für die Experten
und Expertinnen der Alpha IC durch geeignete Maßnahmen in der Planung und im
Bau in ihrer Wirkung abzufangen, um einen schädlichen Einfluss auf das Gebäude
und seine Nutzer zu verhindern.
Die beiden Risiken Hitzestress und Hitzewelle gehen mit hohen Temperaturen in
der Spitze und Dauer einher. Diese Temperaturen können sich durch die Umgebung
(Materialität und Versiegelung) und ihrer (Rück-) Wirkung aus der
Solarstrahlung erhöhen. Den Einfluss der Solarstrahlung hat die Alpha IC für
die RESI und den Platz der Menschenrechte über die Größe der Sonnenstunden mithilfe
von thermischen Simulationen angesehen und bewertet.
Das nachfolgende Bild zeigt links ein Foto der RESI mit dem vorgelagerten Platz der Menschenrechte, rechts daneben zwei Simulationsgrafiken, die die Analyse der Sonnenstunden aus Blickrichtung Osten sowie Westen zeigen, hier beispielhaft für den 21.Juli
Aus dieser Betrachtung der Sonnenstunden auf die Fassaden der RESI und den vorgelagerten Platz der Menschenrechte konnten folgende Maßnahmen abgeleitet werden, die den beiden oben genannten Risiken möglichst gut entgegenwirken. Ihre optimale Wirkung erreichen die Maßnahmen am besten in der kombinierten Anwendung:
- Maßnahme 1: Anpassung der Fenstergrößen an den Fassaden zur Optimierung der Tageslichtverfügbarkeit im Zusammenspiel mit den solaren Lasten.
- Maßnahme 2: Hochwirksamer, außenliegender Sonnenschutz mit intelligenter fassadenweiser Steuerung im Tagesgang zur Reduktion der solaren Lasten.
- Maßnahme 3: Hoher Dämmstandart über GEG-Anforderungen hinaus zur Entkopplung der Wärmetransmission durch die hohe Solarstrahlung / hohe Außenlufttemperatur in Kombination mit großer innerer Speichermasse durch massive Bauweise und offenen Massivdecken. Die großen Speichermassen puffern die Wärmeeinträge im Tagesgang.
- Maßnahme 4: Optimierter Tagluftwechsel zur bedarfsgerechten Frischluftversorgung der Nutzer mit nicht mechanisch gekühlter Außenluft zur Reduktion von externen Wärmeeinträgen. Möglichkeit zur Entladung der Speichermassen in den Nachtstunden mit einem bis zu zweifach mechanischem Luftwechsel pro Stunde.
Auf Grundlage dieser Maßnahmenempfehlungen legten der Bauherr Sebastian Hölzlein und das verantwortliche Architekturbüro hehnpohl architektur bda aus Münster nicht nur eine Wandstärke von (mindestens) 46 cm (24 cm Beton + Wärmedämmung: 22 cm Regelaufbau / 28 cm im Sturz / 34 cm bei Lisenen) fest, sondern bestimmten auch die Fenstergrößen mithilfe von Gebäudesimulationen innerhalb eines definierten Wandrasters individuell. Zur Optimierung des thermischen Komforts wurde ein Gleichgewicht zwischen der Minimierung des sommerlichen Wärmeeintrags und der Maximierung der solaren Gewinne angestrebt. Hierfür wurden sechs unterschiedliche Fenstergrößen in Kombination mit einem intelligenten Lüftungssystem festgelegt.
Herzliche Einladung zu einem Besuch in der RESI mit einem Gespräch über die Potentiale einer Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse plus Maßnahmenempfehlung!